Brustgeschirr contra Halsband

Immer öfter sieht man an Hunden Brustgeschirre – und oftmals, wenn man deren Halter darauf anspricht, entgegnen diese oft: „…weil ich irgendwie ein besseres Gefühl dabei habe…“

Ihr Gefühl trügt Sie nicht, denn ein gut sitzendes Brustgeschirr erspart dem Hund nicht nur Schmerzen, sondern schont auch dessen Gesundheit – im Gegensatz dazu, wenn er ein Halsband (insbesondere schmale Halsbänder, Kettenhalsbänder oder gar Stachelhalsbänder) tragen würde. Aber leider gibt es immer noch die bekannten Vorurteile, wie: „Mit Brustgeschirr zieht der Hund doch erst richtig an der Leine“ oder „Mit einem Brustgeschirr hab ich den Hund doch gar nicht im Griff“. In manchen Hundeschulen oder auf einigen Hundeplätzen ist das Tragen eines Geschirrs unerwünscht oder sogar verboten.

Diese Auffassungen beruhen immer noch auf der völlig veralteten Annahme, man könne einen Hund nur mit Hilfe des Leinenrucks erziehen. Die moderne Hundeerziehung kommt allerdings schon längst und auch sehr gut ohne das völlig überholte Hilfsmittel Leinenruck aus, denn: Ein gut sitzendes Brustgeschirr schont die Halswirbelsäule des Hundes. Die Wirbelsäule des Hundes unterscheidet sich nur unwesentlich von der des Menschen. Wird im Training mit z.B. einem Kettenhalsband und mit Leinenruck gearbeitet kann es passieren, dass der vom Halsband ausgehende Druck genau zwischen 2 Wirbeln abgefangen wird, was je nach Stärke der Einwirkung bis hin zu Bandscheibenverschiebungen führen kann. Viele Wirbelsäulenerkrankungen bei Hunden finden hier ihren Ursprung. Stellen Sie sich bitte vor Sie hätten ein Halsband um und jemand würde von hinten kräftig daran rucken! Man kann sich vorstellen, dass dies sicher nicht sehr angenehm ist.

Kehlkopf und Halsmuskulatur bleiben durch das Tragen eines Brustgeschirrs ebenfalls unbelastet. Jedoch durch den Zug des Halsbandes werden sowohl der Kehlkopf, als auch die oberen Atemwege beeinträchtigt, Kehlkopfquetschungen sind keine Seltenheit. Die einzige Möglichkeit für den Hund Kehlkopf und Atemwege freizuhalten, besteht darin, die Halsmuskulatur stark anzuspannen und so das Halsband durch die Muskulatur von diesen Organen fernzuhalten. Klinische Studien haben ergeben, dass die dadurch entstehenden Verspannungen in der Halswirbelsäule zu der gleichen Symptomatik wie beim Menschen führen: Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Schmerzen in der Wirbelsäule oder ähnliches. Im Gegensatz zu uns kann der Hund sich aber nicht äußern, er kann uns nicht sagen: Heute ist mir schwindelig und ich habe Kopfweh. Hunde, denen es ständig schwindlig ist und die immer Kopfweh haben, haben oft deswegen eine erhöhte Aggressivität. Eigentlich logisch, oder?

Der Hals als soziales Organ des Hundes sollte vor unnötigen Einwirkungen geschützt werden. Der Hals spielt in der taktilen Kommunikation der Hunde eine wesentliche Rolle: Berührungen an der Oberseite des Halses drücken in der Hundesprache Dominanz aus.

Berührungen an der Unterseite des Halses dagegen Subdominanz/Unterwerfung. Die Seitenpartien des Halses sind nur ganz guten Freunden vorbehalten (Pflegeverhalten). Der Hals ist auch bei uns Menschen eine sehr empfindliche Körperpartie und Berührungen am Hals sind etwas sehr intimes. Denken Sie nur an den Ausspruch: „Bleib mir bloß vom Hals.“ Trägt der Hund ein Halsband stumpft die Empfindsamkeit für diese Signale ab, da der Hund praktisch ständig irgendwo am Hals Impulse erhält. Vielleicht erklärt dies auch die oftmals entsetzte Reaktion eines Welpen, der zum ersten mal ein Halsband umgelegt bekommt. Diese, recht unangenehmen Auswirkungen durch das Tragen eines Halsbandes versucht der Hund sich oftmals zu entziehen. Hunde flüchten dann instinktiv nach vorne. Dies ist ein häufiger Grund, warum Hunde an der Leine ziehen. Viele Menschen versuchen nun dem Hund durch Leinenruck dieses Ziehen abzugewöhnen. Der unangenehme Leinenruck wird vom Hund, da er einen Impuls an der Halsunterseite bekommt, als plötzlicher „Angriff“ angesehen und löst so eine erneute Fluchtreaktion aus. Häufig gibt es aus diesem Kreislauf kein Entkommen mehr. Durch das Tragen eines Brustgeschirrs wird dieser unangenehme Druck vom Hals des Hundes genommen. Bei ca. 20% der Fälle gibt sich das Ziehen durch das Tragen eines Brustgeschirrs von ganz allein, mit dem entsprechenden Programm zur Leinenführigkeit ist dem Hund das Ziehen an der Leine auch ohne Leinenruck abzugewöhnen.

Das Tragen eines Brustgeschirrs birgt noch weitere Vorteile. Durch den auf dem Rücken liegenden Steg können Sie den Hund viel besser und schneller festhalten. Dieser Griff ist, besonders bei langhaarigen Hunden viel besser zu erreichen als ein Halsband das irgendwo im dichten Fell liegt. Für den Hund ist das Halten am Rückensteg ebenfalls viel angenehmer. Verletzungen an der Hand des Hundehalters durch einen sich im Halsband windenden Hund werden vermieden.

Und last but not least, kann man einen Hund mit Brustgeschirr leichter und schneller anleinen, als wenn man erst immer noch das Halsband drehen muss, bis man die Öse findet, um den Karabiner der Leine einzuklinken.

Quelle: Hundeschule Heike Rummel, Bermatingen